• Eben in der Bahn mit meiner Achtjährigen, unvermittelt aus einem Alltagsgespräch heraus stellt sie eine Frage:

    "Pappa?"
    "Ja?"
    "Was dürfen wir hoffen?"


    Hat mich komplett aus der Bahn geworfen. (Zum Hintergrund: Sie ist nicht getauft, sie wird nicht gerade christlich erzogen, wo immer sie das her hat, es ist nicht eine religiöse Mutter oder so.) Ich bin in der Tat immer noch verdaddert. Habe erstmal versucht, die Frage weiter einzugrenzen bzw. etwas zu erfahren, wie sie darauf gekommen ist, aber das hat nicht viel gebracht. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, wirkte es schon so, als ob das aus ihrem Nachdenkprozess kam, zumindest konnte sie keine andere Quelle oder einen Kontext angeben.


    Wie dem auch sei: Mich würde interessieren: Wie hättet ihr reagiert? Gibt es einen Weg, darauf einer Achtjährigen sinnvoll zu antworten?

  • Als Anhänger von Hannover 96 sollten dir die Prinzipien „Hoffen“ und „Bangen“ eigentlich geläufig sein. ;)


    Etwas ernsthafter hätte ich gefragt, was sie sich denn gerne erhoffen würde, denn im Prinzip darf man doch alles, oder?


    Deiner achtjährigen traue ich noch nicht den Zynismus zu, diese Frage mit rhetorischem Gusto zu stellen.

  • Nein, hoffen ist für mich eine durch klare Zielsetzung definierte, teilweise durch eigenes Handeln beeinflusste Variante von Wünschen.


    Also kann die Antwort z.B. lauten, dass deine Tochter auf alles hoffen darf, was sie möchte (ähnlich wie beim Wünschen) mit der Besonderheit, dass man bis zu einem gewissen Grad den Erfolg auch beeinflussen kann. Beispiel: Ich kann mir einen Lottogewinn wünschen, auch wenn ich gar nicht spiele, aber ich kann darauf hoffen, wenn ich ein Los gekauft habe. Ich kann auf eine gute Zensur in der Schule hoffen, wenn ich gelernt habe.

  • So, das Konzert mit unserem 5 Jährigen war super. Aufregend und anstrengend aber super. Nachdem wir vor der Halle weitere kleinere Kinder gesehen haben, verging die erste Unsicherheit. Auch das "älter machen" des Kindes haben wir verworfen, nachdem draußen schon der erste Security-Mann unserem Sohn Ohrenstöpsel schenken wollte. Die waren da ganz entspannt. Da man ja in der Stadionsporthalle von Sitzplatz zu Stehplatz wechseln kann, saßen wir erst auf der Treebühne...bis zu den ersten zwei Liedern der Vorband. Da wollte er dann lieber, nachdem er im Gang gerockt hat, nach unten. Gut, ab auf die Schulter und vorn rein...Beim Haupt-Act hab ich ihn dann von den ca. 2 h 1,45 h auf der Schulter gehabt. Wir hatten sehr viel Spaß, die Mickey-Mäuse (große Ohrenschützer) brauchte er nicht...Ich hab ihm angeboten, vor der Zugabe schon zu gehen...aber er wollte das durchziehen. Hat er auch. Toll: die ganzen Leute waren total positiv eingestellt zu unserer Aktion mit dem Kleinen. Da hatte ich auch eher Befürchtungen. Teils haben die ihn richtig mit einbezogen und mit ihm getanzt usw. Und als der Bassmann unserem Sohn noch gezielt gewunken hat, weil wir außen recht weit vorn standen, war der Kleine im siebten Rockerhimmel. Einmaliges, wenn auch grenzwertiges Erlebnis. Jetzt schläft er sicher erst mal bis zum Mittag. :kichern:


    Nochmals danke an Nils, der durch den Hinweis auf die kurze 50 % Rabattaktion für Konzerttickets die Entscheidung für ein Ticketkauf erleichtert hat - und dadurch haben wir halt viel Geld gespart.

  • Als Anhänger von Hannover 96 sollten dir die Prinzipien „Hoffen“ und „Bangen“ eigentlich geläufig sein. ;)


    Etwas ernsthafter hätte ich gefragt, was sie sich denn gerne erhoffen würde, denn im Prinzip darf man doch alles, oder?


    Deiner achtjährigen traue ich noch nicht den Zynismus zu, diese Frage mit rhetorischem Gusto zu stellen.

    :P

    Stimmt, 96 wäre ein guter Gegenstand für Erörterungen gewesen!


    Ich hatte den Spruch spontan eigentlich Paulus zugeschrieben, aber noch im Gespräch im Internet geguckt, es ist eine wichtige Frage bei Kant! ("Was darf ich hoffen?") Das hat mich noch mehr aus der Bahn geworfen, weil ich das hätte wissen müssen, meinen eigenen Ansprüchen nach.


    Ungefähr in die Richtung, wie von Dir vorgeschlagen, ging das Gespräch auch. Weil es mir einfacher erschien, habe ich erstmal auf "Wollen" gewechselt und ihr erklärt, dass man schon alles Wollen darf, aber wenn man z.B. will, dass einem Flügel wachsen, das offensichtlich nicht geht.

    Unter Umständen war die Frage ganz anders gemeint, eine Frage um Erlaubnis, eher so wie: "Darf ich zum Spielplatz gehen?", denn das eine Beispiel, welches ich aus ihr rausbekam, war: "Darf ich hoffen, dass alle Menschen verschwinden?" Also ob es moralisch/ethisch erlaubt ist. Wobei man dazu sagen muss, dass die Stimmung die ganze Zeit komplett entspannt, nicht gestresst oder misogynistisch war, auch, als sie das Beispiel brachte. Stimmungsmäßig war das eher so eine entspannte Neugier, war mein Eindruck.


    Dazu meinte ich, dass man das schon hoffen darf, aber die Hoffnung auf einem Irrtum besteht, nämlich dem Irrtum, dass wir ohne andere Menschen besser dastünden. Denn auch, weil sie schonmal nerven, sind wir doch soziale Wesen.

    Ich werde versuchen, das Gespräch am Wochenende fortzuführen und muss bis dahin mal die Stelle bei Kant finden. (Ich glaube, Kant wollte auf sowas hinaus, wie: Dürfen wir hoffen, dass die Welt irgendwann mal Vernunft annimmt?)

    Einmal editiert, zuletzt von ExilRoter ()

  • Ich verbinde das Wort "hoffen" mit Hoffnung, also mit etwas Positiven.


    Grundsätzlich kann eine Ausgangslage schlecht sein, z. B. das Krieg herrscht. Und man hofft auf natürlich auf Frieden. Trifft das ein, ist es doch gut. Jemand ist krank und hofft, dass er wieder gesund wird.


    Würde mich mein Sohn fragen "Was dürfen wir hoffen?" würde ich wahrscheinlich auch erst einmal stutzig werden. Ich würde die Gegenfrage stellen "Wie meinst Du das?" oder "Wo hast Du das gehört?".


    Um den Bezug zu 96 herzustellen, würde ich eine Geschichte von MK erzählen. Viele hoffen, dass er endlich geht. Ich denke, dann hat sie es auch verstanden.

  • 96 ist ein so gutes Beispiel, weil man daran klar machen könnte, dass, z.B., wir natürlich hoffen dürfen, dass Kind verschwindet, alles gut wird, 96 Meister wird, etc., _ohne_ dass es realistisch sein muss. Ganz im Gegenteil, von einem "echten" 96-Fan, von jemand, dem die Sache wirklich am Herzen liegt, _muss man_ in gewissem Sinne erwarten, dass auch auf was unrealistisches gehofft und dieser Hoffnung treu geblieben wird.


    Aber: Wir hatten ca. eine Viertelstunde zum diskutieren, bevor ich sie wieder bei der Mutter abgeben musste. Und ich hab' immer noch nicht richtig verstanden, was sie zu der Frage motiviert hat, trotz meines Bohrens. Was mich echt perplex macht. Muss da nochmal nachbohren und gleichzeitig die Balance hinkriegen, das Gespräch nicht zu stark selber zu lenken.

  • Sie hat das mit Sicherheit irgendwo aufgeschnappt. Oder hatten Sie in der vlt Schule eine Stunde Religion (glaube in Klasse 2 oder 3 gibt es das noch gar nicht) oder etwas in der Richtung?


    Würde mir da keine Gedanken machen, finde es eher interessant. Sie scheint wohl so tiefgründig zu werden wie ihr Vater! :daumen:

  • Ich habe sie nachdrücklich gefragt, wo sie das her hat. Sie konnte nichts benennen.


    Die stellt schon öfters heftige Fragen (Z.B., schon mit 5 damals, "Pappa, warum gibt es eigentlich unterschiedliche Tiere?" und nach dem Ende der Welt und so), aber das war die Härte gestern. Man traut sich ja gar nicht mehr, das Kind zu sehen ohne nochmal Philosophiegeschichte gespickt zu haben.

    Und natürlich kokettiere ich hier ein bisschen damit und bin sowieso stolz wie Hulle, aber: Ich mache mir schon ernsthaft Sorgen, ob ich dem Kind gerecht werden kann, sowohl inhaltlich, als auch ob ich - und deswegen auch die Frage - vom Umgang her damit "richtig" umgehe. Was sinnvolles sagen, ohne sie zuzutexten, was die Neugier anstachelt, gute Anstöße gibt, Ängste nimmt, etc.


    Aber ich fürchte, die ist mir echt über. Und da "Kopf" nicht glücklich macht, stellt mich das vor die Herausforderung, wie ich ihr helfen kann, mit "Kopf" klarzukommen, ohne ihr selbigen zu vermiesen oder auszureden.

  • "Frag Deine Mutter!" hilft manchmal. ("Papa, kann ich den Fernseher anmachen?")


    Exil, ich würde da jetzt echt kein Fass aufmachen. Erzähl es doch eben so ganz nüchtern wie Du schon selber geschrieben hast, Beispiel Hannover 96.

  • "Frag Deine Mutter" kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren! :D Das wende ich momentan ausschließlich bei Fragen zu Ernährung an, da ist die Mutter fit, ansonsten wünsche ich mir definitiv, dass sie weiterhin mir solche Fragen stellt. Nicht exklusiv, aber ich will es in keinem Fall abwürgen.


    Darüber hinaus finde ich es einfach eine interessante Frage, wie man damit umgeht, so als Eltern, und wie andere das handhaben.

  • Nachtrag: Habe die einschlägige Stelle bei Kant jetzt - endlich, hat gedauert - gefunden, sie befindet sich in den Vorlesungen zu Logik (1800), habe ich in Buchform gar nicht da. Aber das Internet ist schon geil:

    https://www.textlog.de/kant-logik-philosophie-0.html


    Falls jemand noch andere relevante Stellen einfallen, gerne auch bei Augustinus oder Paulus, die sich irgenwo auch damit beschäftigt haben müssten, immer her damit!


  • Nachtrag 2: In der "Kritik der reinen Vernunft" kommt die Frage auch vor, und jetzt habe ich sie endlich gefunden: In der "Transzendentalen Methodenlehre", Zweites Hauptstück: "Der Kanon der reinen Vernunft", "2. Abschnitt: Von dem Ideal des höchsten Gutes". (Gebe das so an, weil meine Ausgabe _nicht_ die Standard-Paginierungen beinhaltet, sondern irgendeine andere.)


    In dieser englischen Ausgabe ist es S. 677 des PDF.

    DVD-Scott, Farrell ist und bleibt Dreck. Wäre Dir dankbar, wenn Du ihn aus diesem Thread raushalten könntest.

  • Grenzen der Vernunft ist doch ein geiler Gesprächsansatz für das nächste Treffen. Und eine deiner Ängste, nämlich die, das sich abzeichnende Niveau deiner Tochter nicht mehr mitdenken zu können, kann dir das fanmag sicher unisono nehmen. Wenn nicht du, wer dann? ;)


    Ich könnte mir aber auch vorstellen, das eine 8jährige sich eher für Papas eigene Meinung interessiert, und sich den Kant für später aufhebt.

  • Dann hätte ich natürlich auf ganzer Linie versagt. Wenn sie mein Geblubber ernst nehmen und die Lust, Dinge richtig zu ergründen und diejenigen zu Lesen, die daran gearbeitet haben, ignoriert.


    Und Kindererziehung regt ja zwangsläufig zur Selbstreflexion an: ich stelle selber gerade - über den Vorfall gestern hinaus - fest, dass ich Kant viel zu lange ignoriert habe. Nur, weil er ein Langweiler ist.


    Aber müsste die Frage nicht lauten: Wie vermittel ich meinem Kind, Interesse vorausgesetzt, dass Kant praktisch das Unmögliche geschafft hat: Was er zu den Dingen gedacht und erarbeitet hat, ist dermaßen stark, dass es niemand von uns nach ihm ernsthaft ignorieren kann? (Übersetzt: Wer zu diesen Themen ernsthaft mitreden möchte, _muss_ wissen, was Kant gemacht hat, ansonsten kann ihn niemand ernst nehmen.)

    Wenn ich das vermitteln könnte, und dabei geht es mir nicht um Kant, sondern um die Relevanz von Philosophie, könnte ich beruhigt den Staffelstab weiter- und den Löffel abgeben.