NP: Mertes späte Premiere. Fußball ist doch gerecht.

  • Mertes späte Premiere Fußball ist doch gerecht


    Abwehrriese rettet Punkt in der Nachspielzeit. Das macht Mut.


    Per Mertesacker schockte Dortmund in der Nachspielzeit. Mit seinem Tor zum verdienten 1:1 rettete er 96 einen Punkt.


    VON GUNTHER NEUHAUS


    DORTMUND. Ob er sich das wirklich gut überlegt hatte? Plötzlich, es geschah in der 37. Minute, legte sich Michael Tarnat mit Jan Koller an. Dortmunds Sturmriese misst mit 2,02 Metern 16 Zentimeter mehr als Tarnat, der aber rempelte und schimpfte und erklärte dem zuvor Gefoulten wohl, er möge sich nicht so memmenhaft anstellen.


    Möglicherweise wollte er das Mir-san-mir-Gefühl (auf hochdeutsch „wir sind wir“), das er bei den Bayern gelernt hatte, schlicht zu 96 transportieren. Denn seine Elf hatte wenig Grund, klein beizugeben in Dortmund, auch wenn das Größenverhältnis von Tarnat zu Koller in etwa die Relation des finanziell kriselnden Branchenriesen Dortmund zum kleinen 96 repräsentierte.


    Hannovers Zwerge hatten immerhin mutig begonnen im Westfalenstadion, und Tarnat gab gewissermaßen das erste Signal, hier aufmüpfig zu werden. Er trat einen famosen Diagonalpass auf Clint Mathis, der aber nach 160 Sekunden frei an Guillaume Warmuz scheiterte. Die zweite klare Chance der Partie spielte wieder 96 heraus. Altin Lala bediente Sousa im Strafraum, mit dem schwächeren rechten Fuß aber schoss der Portugiese Warmuz an (19.). Der 96-Dirigent bemühte sich darum, dem 96-Spiel den rechten Rhythmus zu geben.
    Das gelang oft ganz ordentlich, sein Dortmunder Pendant Tomas Rosicky hatte ihm aber bald etwas Zählbares voraus. Dem Tschechen gelang das 1:0, in der 29. Minute beschleunigte er den Ball auf Tempo 94 und traf so aus 20 Meter links unten.


    Die zuvor aufrecht kämpfenden und mutig angreifenden 96-Profis schienen vorübergehend geknickt, erst nach der Pause belebten sie wieder ihr Offensivspiel gegen die diesmal keinesfalls übermächtigen Dortmunder, deren flinken Angreifern sich nun aber viel Raum bot. 96-Torwart Robert Enke rettete zweimal vorzüglich gegen Ewerthon (56.) und Dede (61.).


    Fortan aber drückte 96 vor 75 000 Zuschauern, bis zur 66. Minute wurde ein Eckenverhältnis von 5:0 herausgearbeitet. Lienen brachte Thomas Christiansen und Leandro (beide in der 65. Minute eingewechselt) sowie schließlich auch Nebojsa Krupnikovic (80. für Sousa).


    Die 2000 inzwischen leisen Fans im 96-Block schienen sich schon in ihr Schicksal gefügt zu haben, als Koller den Pfosten traf (82.). Weil 96 sich aber nicht geschlagen geben wollte, gab es es schließlich doch noch eine Freudeneruption in der Abteilung der Gästefans.


    Nach einem Eckstoß von Leandro drückte Per Mertesacker den Ball mit der Stirn nach unten ins Dortmunder Tor. Sein erster Bundesliga-Treffer, Mertesacker rannte zu den Fans, hörte „Merte, Merte, Merte“ und schien die ganze Welt umarmen zu wollen. Er begann bei Physiotherapeut Stefan Herzog und packte danach jeden, der nicht flüchtete. Außer Schiedsrichter Jörg Keßler natürlich, der gar nicht mehr anpfiff.