Politischer Zoff-Thread oder so

  • Die SPD hat ein neues Sozialstaatskonzept in der Schublade, solange das nicht durch ist und sie damit die Schmach von Hartz IV wett gemacht haben, beenden die gar nichts.

  • mime001 und @RicklingerKurve


    Es geht nicht um Personen, aber auch nicht um Bagatellen...


    Ich habe mich immer mehr für Politik und Geschichte als für Jura interessiert (wobei Recht natürlich immer ein Teil von Politik und Geschichte ist). Ausserdem hatte ich Gelegenheit, in vielen persönlichen Gesprächen über viele Jahre sehr viel über die Täterseite des deutschen Faschismus zu erfahren - und da man mich ausserdem noch zu einem Abitur in Latein gezwungen hat und ich eben Rechtswissenschaft studiert habe, kenne ich mich ganz gut mit Strukturen aus.


    Auf dieser Grundlage habe ich für mich Folgendes erkannt (im Sinne von: meine ich zu wissen...):


    1. Der offene Faschist wie irgendeine prollende Glatze, aber auch wie ein Höcke, ist isoliert noch kein Problem, welches man nicht in den Begriff bekommen kann, denn diese Person wirkt in ihrem offenen Widerspruch gegen alle Werte, die Konsens sind, an sich abstossend genug (daher glaube ich auch nicht, dass die Aktion in Thüringen der AfD in der "Wählergunst" genutzt hat, die meisten Menschen und eben auch die wertkonservativen Leute, die die AfD aus Protest gewählt haben, werden von diesen Spielen eher verschreckt).


    2. Schwieriger sind schon Menschen wie Gauland, die mit Werten und Moral argumentieren, aber immer noch klar erkennbar und offen mit Faschisten paktieren und sich so ad absurdum führen.


    3. Schwierig wird es mit Menschen, die sich zu den Werten und der Moral unserer Demokratie und ihres Rechtsstaates bekennen, sie aber im Grunde genommen nicht schätzen und im Zweifel bereit sind, sie ausser Acht zu lassen.


    4. Und am gefährlichsten sind solche Menschen, die die Werte und die Moral angeblich vertreten, aber sie tatsächlich aus Eigennutz bekämpfen. Sie reissen die Brandmauern nieder und ebnen den Faschisten den Weg.


    Ich will dazu ein Beispiel geben: Die Bewegung FFF mit ihrem Slogan (unter anderem) "Unite behind the science" ("Vereinigt Euch hinter der Wissenschaft") ist nach meiner ganz persönlichen Ansicht eine zutiefst demokratische und von unseren Grundwerten getragene Bewegung. Dort finden sich Menschen zusammen mit gemeinsamen, ethisch und moralisch veritablen Ansichten (ob sie naiv oder durchsetzbar sind, bleibt dahingestellt). Und sie diskutieren und vertreten ihre Ansichten in einer demokratisch einwandfreien Weise. Und nun kommt ein Herr Christian Lindner, der sich nach aussen hin nicht nur als Demokrat, sondern auch noch als Werteliberaler aufspielt, und kontert diese Bewegung mit den Aussagen, die zu einem grossen Teil noch schulpflichtigen Aktivisten sollten besser zur Schule gehen und den Klimaschutz den Profis (und damit meint er eindeutig sich und die Berufspolitiker, nicht die Wissenschaftler) überlassen.


    Mal abgesehen von der Blödheit dieser Aussagen an sich, beleuchte ich sie mal im Lichte der Demokratie: die in einem demokratischen Prozess ihre Meinung vertretenden Menschen sollen


    1. mit dem politischen Diskurs aufhören und in ihrer eigenen Position Ruhe geben und

    2. einer kleinen Gruppe von angeblich vom Volk gewählten, letztendlich aber eher von kleinen Gruppen ausgewählten Personen die Entscheidungen kommentarlos überlassen.


    Und warum sollen sie das?


    Damit diese kleine Gruppe von Berufspolitikern weiterhin zusammen mit einer weiteren kleinen Gruppe von wirtschaftlich Mächtigen dieses Land (und am Ende diese Welt) zu ihrem Vorteil umgestalten und ausbeuten kann.


    Da wird unter dem Mäntelchen des Verfassungsliberalismus der Wirtschaftsliberalismus befeuert. Und der hat übnerhaupt kein Problem mit Diktaturen, sowohl rechten wie linken!


    Erlaubt ihr mir noch ein Beispiel (es ist deutlich kürzer):


    Diejenigen Parteien, die nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes zu einer neuen Heimat der ehemaligen NSDAP-Mitglieder (und nicht nur der Mitläufer) wurden, waren die Union und die FDP. Sie waren es auch, die die Blockflöten der DDR-Zeit aufnahmen: Ost-CDU und DBD durch die Union, LDPD und NDPD durch die FDP. Die CDU ist es auch, die eine (inzwischen von mir übrigens sehr geschätzte) Bundeskanzlerin stellt, die zwar nie Mitglied der SED oder einer Blockpartei war, die aber immerhin Kulturreferentin der FDJ-Gruppe bei der Akademie der Wissenschaften der DDR war und dort für Agitation und Propaganda zuständig gewesen sein soll... und diese Parteien, die insbesondere im Osten weiterhin durchsetzt sind von ehemaligen Mitgliedern der Blockparteien, halten den Gewerkschafter Bodo Ramelow für einen undemokratischen und linksextremistischen Politiker und die Partei Die Linke für eine solche, mit der man aufgrund ihres angeblichen Exremismus genau so wenig zusammenarbeiten könne wie mit der AfD - ja, die vielleicht sogar schlimmer sei als die AfD, womit es gerechtfertigt sei, mit der AfD zu paktieren, um einen MP Ramelow zu verhindern?


    Ich habe persönlich überhaupt nichts gegen @theMenace, im Gegenteil, von Angesicht zu Angesicht ist er ein äusserst angenehmer Zeitgenosse, gerade bei einer Veranstaltung vor wenigen Wochen hat er mir nun wirklich mehr als ausführlich und empathisch über sich und seine beruflichen Perspektiven berichtet, und ich habe ihm sehr interessiert zugehört. Aber hier geht es schon noch um etwas Anderes: wir brauchen uns doch nicht über antifaschistische Transparente im Stadion zu freuen, wenn wir ansonsten zusehen, wie sich der Faschismus in unserem Land breitmacht.


    "Die Ausreise von Michel Friedman rückt näher. #thüringen" Tomasz M. Froelich Rechtslibertär. Pressesprecher der @AfDimEUParl. Stellvertretender Bundesvorsitzender der @JA_Deutschland.

  • stscherer: Ein wunderbar ausführlicher und differenzierter Post, Respekt.


    Noch ein Wort zur leichtfertigen Gleichsetzung von rechts und links, die in politischen Diskussionen häufig von „konservativen“ und „liberalen“ Politikern vorgenommen wird. Diese Gleichsetzung dient nur der Verharmlosung von Faschisten und das vor dem Hintergrund von Solingen, Rostock Lichtenhagen, NSU und dem Lübke-Mord.

  • Bei Ramelow kommt zu dem von stscherer Genannten hinzu, dass er "bekennender Christ" ist, die CDU formal gesehen eine "C"-Partei, die das Christliche häufig nur formal vor sich herträgt. Mit dem Wahlakt am Donnerstag hat sie jedenfalls deutlich gemacht, dass sie den völkischen Agitator Höcke für weniger problematisch hält als den durch und durch "bürgerlichen" Ramelow.

  • Ich gehöre ja nun auch zu den "bekennenden Christen" (und sogar zu denjenigen, die Mission betreiben...), aber in diesem Zusammenhang kommt es sachlich darauf nicht an. Schließlich verhält man sich auch als jemand, der nicht an Gott glaubt (das Fass Judentum - Christum - Islam brauchen wir hier ja nicht aufmachen, alle sind abrahamitisch!) im Sinne der 10 Gebote, wenn man das Grundgesetz achtet.


    Empathisch ist es natürlich schon unverständlich und beleidigend, einen solchen Mann wie Bodo Ramelow auf eine Stude mit einem Höcke zu stellen:


    Zitat

    Herkunft und Familie

    Bodo Ramelow wuchs in Osterholz-Scharmbeck (Niedersachsen) und Nieder-Wiesen (Rheinhessen) in einem evangelischen Elternhaus mit drei Geschwistern auf.[1] Als Ramelow acht Jahre alt war, starb sein aus Kricheldorf bei Salzwedel stammender leiblicher Vater Erwin[2] an den Folgen einer Kriegsverletzung.[3] Seine Mutter war eine alleinerziehende Hauswirtschaftsleiterin aus der traditionsreichen lutherischen Familie Fresenius; ein Ahne war Johann Philipp Fresenius.[1]

    Ramelow ist seit November 2006 in dritter Ehe mit der Italienerin Germana Alberti vom Hofe verheiratet,[4] einer Supervisorin und Organisationsentwicklerin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist Protestant[1] und hat zwei erwachsene Söhne aus erster Ehe.

    Ausbildung und Beruf

    Ramelow beendete 1971 die Hauptschule mit dem Hauptschulabschluss. Als Kind hatte er Legasthenie und konnte nach eigenen Angaben „nicht ordentlich“ schreiben.[5] In Gießen erlernte er in den Jahren 1971 bis 1974 bei Karstadt[2] den Beruf Kaufmann im Einzelhandel.[3] An der kaufmännischen Berufsaufbauschule in Marburg erwarb Ramelow 1975 die Mittlere Reife und 1977 die kaufmännische Fachhochschulreife.

    Er arbeitete ab 1977 als Substitut zur Einarbeitung bei der Karstadt AG sowie beim früheren Kaufmarkt HaWeGe in Marburg-Cappel. Später wurde Ramelow Filialleiter bei der Jöckel Vertriebs GmbH in Marburg. Eine Ausbilder-Prüfung nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AdA-Schein) legte Ramelow Ende der 1970er Jahre ab. Von 1981 bis 1990 war Ramelow Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen, von 1990 bis 1999 Landesvorsitzender der Gewerkschaft HBV (heute ver.di) in Thüringen, wo er unter anderem beim Arbeitskampf im Kaliwerk Bischofferode mitwirkte,[6] und von 1992 bis 1999 Aufsichtsratsvorsitzender der Wohnungsbaugenossenschaft Zukunft eG in Erfurt.

    Quelle: wikipedia


    Das ist nun irgendwie nicht die Vita eines linksextremistischen Wiederkäuers des Staatsmonopolkapitalismus des Herrn Honecker und seiner Blockflöten.

  • Und, nur ergänzend: Eine solche Politik wurde in den letzten vier Jahren von ihm und seiner Koalition auch nicht betrieben.

  • Seit der Agenda 2010 und Hartz IV hat das S in deren Namen einfach mal gar nichts mehr verloren meiner Meinung nach :(

    Der Meinung bin ich auch.

    Und wenn wir schon mal dabei sind - - das "C" von der CDU kann auch weg. Die machen schon solange ich denken kann, eine Politik gemäß dem Motto : Nehmtsdenarmenundgebtsdenreichen.

  • Justus Bender, Politikredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung twittert:

    „Kollusionsverdacht: Aus AfD-Kreisen erfahre ich, dass Thüringer CDU-MdLs am Abend vor der MP-Wahl die AfD informiert haben sollen, dass die CDU im 3. Wahlgang Kemmerich wählt. Das sei die Grundlage für den AfD-Plan gewesen, dann auch Kemmerich zu wählen.“


    wie lange wird es noch dauern bis AKK und Lindner bestätigen, von dem Plan gewusst zu haben?

  • In der FAS schreibt Bender heute über Lindner: "Es zeigt sich, dass es ein weiter Weg ist vom Talkshowkönig zum Staatsmann. Zu weit für manche."

  • Justus Bender, Politikredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung twittert:

    „Kollusionsverdacht: Aus AfD-Kreisen erfahre ich, dass Thüringer CDU-MdLs am Abend vor der MP-Wahl die AfD informiert haben sollen, dass die CDU im 3. Wahlgang Kemmerich wählt. Das sei die Grundlage für den AfD-Plan gewesen, dann auch Kemmerich zu wählen.“


    wie lange wird es noch dauern bis AKK und Lindner bestätigen, von dem Plan gewusst zu haben?

    In der FAS berichten sie, dass am Abend vor der Wahl nach der Fraktionssitzung mehrere CDU-Abgeordnete twitterten, man habe sich "mit einstimmigen Ergebnis" auf eine "Strategie" verständigt.

  • Und, nur ergänzend: Eine solche Politik wurde in den letzten vier Jahren von ihm und seiner Koalition auch nicht betrieben.

    Das ist der entscheidende Punkt, der immer gerne untergeht.

    Ramelow hat Thüringen nicht in eine Wiederauflage der DDR verwandelt, während er und die Linke gleichzeitig auf eine extremistische Stufe mit der AfD gestellt werden, in der die Führung (!) in Thüringen offen Werbung für rechtsextreme und völkische Positionen betreibt und in der der Chef Nazi(!) genannt werden darf.

  • Edit:

    um nicht zwei Posts aufzumachen hier zu dem Christlichen...ich denke unsere eigene Kulturgeschichte (Glaubenskriege,Kreuzzüge,Hexenverbrennungen,ganze Kontinente und etliche Volksstämme grausamst "bekehrt",Unterdrückung der Frau per Exzellence etc pp) hat uns gezeigt,daß es ersteinmal nicht wirklich ernstzunehmen ist,wenn man per se behauptet Christen seien gute oder gar bessere Menschen,geschweige denn das christliche Gesellschaften per se liberaler und friedlicher sind als andere

    Wer die wahre "Kulturgeschichte" der RKK mal kennenlernen möchte:

    Kriminalgeschichte des Christentums Link zu Archive.org